Empathie und Intuition
SALVE-Ausgabe Sommer 2016

Empathie und Intuition

Sich einfühlen können ist eine der schönsten und wichtigsten Gaben für den Menschen. Wer mitfühlt, nimmt sein Gegenüber wahr und verliert das Interesse an Macht und Rechthaberei. Die Basis für ein friedvolles Miteinander und ein Stückchen bessere Welt.

Die Mutter erblickt ihr gerade mobil-gewordenes Kleinkind, wie es auf den heißen Stein im Garten langt. Beinahe gleichzeitig durchfährt Kind und Mutter der gleiche Schmerz. Mit Tränen in den Augen pustet sie über die kleinen roten Finger. Mitleidend teilt sie das Leid.
Mitfühlen ist noch umfassender als Mitleiden. Wenn jemand herzhaft lacht oder gähnt, ist das ansteckend. Das ist bekannt. Die Fähigkeit, sich in andere Menschen, oder auch Tiere, Pflanzen und darüber hinaus, hineinzuversetzen, ist eine faszinierende Eigenschaft.

Simulation der Illusion

Hirnforscher haben bereits herausgefunden, daß unser Gehirn permanent damit beschäftigt ist, die Umwelt zu simulieren. Unsere Sinne liefern den nötigen Input, um unsere Reaktionsweisen darauf abzustimmen. Das absolut beeindruckende daran ist, daß die Simulation anscheinend schneller abläuft als die ‚Realität‘. Durch Versuchsreihen wurde gezeigt, daß Entscheidungen bereits feststehen, noch bevor der entscheidende Moment gekommen und der motorische Impuls zur Durchführung gesetzt ist.
Das ist u.a. die Basis dafür, warum wir uns z.B. schnell durch große Menschenmengen bewegen können ohne zusammenzustoßen. Selbst entgegen kommende Gesichter deuten wir blitzschnell - „dem gehe ich lieber aus dem Weg; Hier bin ich überlegen, ein Anrempeln hätte für mich kaum Folgen; Die ist aber hübsch; Mist, in Kaugummi getreten...“

In der Stille zur inneren Stimme

In Meditation verarbeiten wir Eindrücke und sortieren diese mittels vieler neuer Nervenverknüpfungen. Je stiller die bewußten Gedanken dabei werden, desto mehr ist das Gehirn aktiv. Die Simulation wird umfassender und spricht weniger in den alltagsüblichen Bildern und damit verknüpften Emotionen zu uns. Mehr und mehr Ruhe, Stille und Gelassenheit stellen sich ein.
Dabei ist es wichtig regelmäßig zu praktizieren, als spontan und dafür lange. Es ist ein stetiger Prozeß mit unterschiedlichen Wahrnehmungsqualitäten. Manchmal, wenn der Geist die nötige Ruhe entwickelt hat, werden unangenehme Eindrücke verarbeitet. Man ist bereit dies endlich abzuschließen. Diese Dämonen werden nun nicht mehr abgelehnt und unter den Teppich gekehrt, sondern integraler Bestandteil des Selbst. Schreckmomente aus der Umgebung werden detailiert  wahrgenommen, der Geist verbleibt jedoch mehr und mehr in der Ruhe.
Besonders bei Meistern der Kampfkünste lässt sich diese Qualität beobachten. Nicht allein die oberflächlich erlernte Technik ist es, die zu unglaublichen Reaktionen und Treffsicherheit führt. Ohne den analytischen Verstand zu benutzen, „weiß“ der Meister, wie der Angriff verläuft und wie er zu reagieren hat.

Hirnmasse im Einklang

Das sprichwörtliche Bauchgefühl kommt nicht von ungefähr. Das Nervengeflecht des Darms übertrifft das Rückmark achtfach in der Zahl der vorhandenen Nerven. Es denkt selbstständig und teilt sich dem Kopfhirn über ausgeschüttete Botenstoffe und Nervenimpulse mit. Je mehr Störungen (ungesunde Nahrung, Giftstoffe, Antibiotika, negativer Streß etc.), desto gestörter das Bauchgefühl. Je besser die Bauchfürsorge und geistige Stille, desto entspannter und mitteilungsfreudiger der Bauch.
Die einfache Interpretation von Begegnungen und Lebensumständen durch den analytischen Verstand macht noch keine Intuition und empathische Menschen. Spontane mütterliche wie väterliche Fürsorge sprechen die deutlichste Sprache. Dazu
braucht es keinerlei Erklärungen, Rechtfertigungen und Positionierung des Egos. Liebe verteilt sich wie der Duft von Rosenblüten.

Literaturempfehlung:
Meditation und Gehirn von Heinz Hilbrecht;
Die Kraft der Liebe von Amma, Mata Amritanandamayi